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Leseprobe


Das Artefakt des Bogomilen

Sonja Gisela Franz

Roman 

Preis: 22,-

        Erhältlich bei mir unter sonja@seele-der-sonne.de

 

Kapitel 18 - Rätselhafte Zeichen


Vorsichtig setzte Benjamin den kleinen Spaten an. Bloß nichts beschädigen. Er grub erst nach rechts, dann nach links. Nichts.
„Wir müssen tiefergraben“, spornte ich ihn an. „Hoffentlich finden wir überhaupt etwas und es ist uns keiner zuvor gekommen. Los, weiter!“ 
„Ich mach ja schon. Ist nicht so einfach, wenn man nicht mit Wucht einstechen darf."
„Ja, du hast Recht. Vielleicht sollten wir mehr mit den Händen ausgraben.
Ich stand auf und schaute mich um. „Du, hoffentlich kommt jetzt keiner. Das wäre fatal."
Dann wühlten wir beide mit den Händen die Erde fort. Sie war nass und schlammig, hatte doch der Winter bis vergangene Woche noch seine weißen Spuren hinterlassen, die sich jetzt allmählich verflüssigten. Ein Geruch von Fäulnis und Moder drang uns entgegen und ich traute mich kaum, tief zu atmen. Fast vierzig Zentimeter tiefer spürte ich plötzlich etwas Weiches.
Die Decke! Ich hatte beim Lesen des Schädels doch gesehen, das das Gebilde in etwas eingewickelt war. Mir wurde mulmig zumute. Und wenn es etwas anderes war? Eine Leiche zum Beispiel? Die Vorstellung davon zwang mich dazu, aufzustehen.
„Was ist?" fragte Benjamin.
„Nichts, mir tut der Rücken weh", log ich.
In diesem Augenblick hörte ich Hundegebell und Stimmen, die sich uns näherten. Wir mussten uns beeilen. Ich spornte Benjamin an: „Zieh die Decke einfach heraus!"
Er packte das eine Ende dieses alten zerlumpten Stoff-Fetzens und zog.
„Hilf doch mal mit!" befahl er schroff.
Trotz allem Ekel, fasste ich mit an. Dann hatten wir es geschafft! Benjamin zog das Bündel auseinander. Er sah den Babykopf und schreckte augenblicklich zurück. „Nein!" Er stand auf und trat noch einen Schritt zurück. „Nein!"
„Keine Angst", beruhigte ich ihn. „Das ist nur ein Puppenkopf!"
„Woher weißt du das? „
„Ein Baby hätte doch nicht mehr so frisch und lebendig ausgesehen, wenn es schon Jahre verscharrt gewesen wäre.“
„Mensch, das hättest du auch gleich sagen können!" echofierte er sich.
Wir zogen die kaputte Decke gleich wieder drüber und beförderten das gesamte Kauderwelsch in meinen großen Rucksack. Leider schaute das obere Ende noch heraus, also suchten wir ein paar Zweige, die noch etwas Laub an sich trugen und versuchten, so gut es ging, unseren Fund zu verdecken. Das Loch war schnell wieder zugebuddelt. Etwas Laub darüber und fertig. Ich half Benjamin den Rucksack zu schultern, denn das Fundstück schien aus Stein zu sein und hatte ein ziemlich großes Gewicht.
Die Stimmen wurden wieder ein wenig leiser. Zum Glück nahmen die Wanderer mit dem Hund die Hauptroute an den Ruinen vorbei. Wir dagegen schlichen und am hinteren Berghang hinab um von der anderen Seite aus zur Straße zu gelangen. Ab ins Auto und heim. Wir hätten eine andere Decke mitnehmen sollen. Der modrige Gestank verbreitete sich nun im gesamten Innenraum meines Wagens.
Ich konnte die Spannung kaum aushalten. Bald würde sich zeigen, was es mit dem seltsamen „Schatz" auf sich hatte. Benjamin sah bleich aus. Der Schrecken stand ihm immer noch auf die Stirn geschrieben, deshalb steuerte ich seinen Wagen.
„Tut mir Leid, das mit dem Puppenkopf. Ich hätte es dir ankündigen können."
„Das hättest du wirklich! Ich bin bald gestorben vor Schreck! Woher wusstest du überhaupt davon?"
Ich holte Luft. Was sollte ich sagen? Dass der Schädel es mir erzählt hatte? Also noch eine Lüge: „Ein Freund in Detmold hat es mir erzählt. Er kannte den Mann, der es vergraben hatte."
„Und der kam nicht auf die Idee, es selbst zu suchen?"
„Nein", schwindelte ich weiter. „Er hatte ihm erzählt, dass es eine Puppe war von seiner verstorbenen Schwester." Oh Mann! Das mir das so spontan eingefallen war! „Nach einer alten Puppe sucht doch keiner! Atme tief ein und aus, das wird schon wieder. Ich fahre."
Eine halbe Stunde später lag die halb verschimmelte Decke auseinandergeklappt bei mir zu Hause auf dem Fußboden.
Den halben Puppenkopf hatte ich entfernt und das Artefakt zeigte sich in seiner ganzen Größe.
Wir beförderten es zu zweit auf den Tisch. Von der Form her sah es von oben aus wie ein Fisch ohne Schwanz und Flossen oder ein amerikanischer Football. Seitlich konnte man es mit einem langen zusammengedrückten Brot vergleiche, das vorn und hinten fast spitz zusammenlief. Seltsame fächerartige Linien mit jeweiligen Skala-Einteilungen durchliefen die Oberfläche von einer länglichen Rundung zur Mitte der unteren Rundung, vor der sich allerdings noch ein Oval befand, in dem wieder solche Linien eingraviert waren. Einige Runen glichen Kleiner- oder Größer-Zeichen Das Ganze wies eine exakte Symmetrie auf. Irgendwie hatte es den Anschein, als könne man dieses Teil verschieben.
„Das ist ja sehr merkwürdig", äußerte sich Benjamin, stützte die rechte Hand mit zur Faust gefalteten Fingern unters Kinn und legte den Zeigefinge über die Lippen. „Sieht ganz so aus, als könne man es öffnen." Schon drückte er es hin und her, tastete die Linien ab. „Wir wissen aber nicht, was dann passiert. Was, wenn es eine Art Büchse der Pandora ist und etwas radioaktives frei setzt?"
„Das glaube ich nicht." Meine Finger gesellten sich zu den seinen und so betasteten wir alle Linien, ließen keine aus. Ich versuchte mit einigen Bewegungen das obere Teil in verschiedene Richtungen zu schieben. Doch es tat sich nichts.
„Sicher. Das ist bestimmt Sinn und Zweck dieses Artefaktes. Es birgt ein Geheimnis und ich will auch herausfinden, wozu es da ist. Ich glaube, ich weiß, wen ich da fragen kann. Zunächst hole ich eine neue Decke. Der Gestank muss hier raus!"
„Ich geh dann mal. Sag mir, wenn du etwas herausgefunden hast". Benjamin streifte seine Jacke über, verabschiedete sich und hatte schon die Türklinke in der Hand.
„Warte!", rief ich ihm nach. „Hilft du mir, es in den Keller zu schaffen?"
Kurze Zeit später lagerte das neu eingewickelte Artefakt in meiner großen Holztruhe neben dem ebenfalls eingepackten Bogomilen-schädel. 
´Ja, der Schädel´, dachte ich, als Benjamin fort war. ´Ich werde ihn noch einmal lesen und dann nach Hause bringen, nach Bosnien. Das war jetzt meine Mission. ` 
Noch ein letztes Mal wollte ich ihn fragen. Bald darauf lag er vor mir auf dem Tisch. Ich verband mich im Geiste mit ihm, stellte die Frage: „Wie öffnet man das Artefakt?" Seine Antwort in Form von Bildern führte mich wieder nach Bosnien in den Ravne-Tunnel. Ein Unbekannter, der auf einer alte Holzbank vor dem Megalith saß, hatte das Teil auf den Oberschenkeln liegen, bewegte die Oberseite hin und her, hinüber und zurück, dann tat sich ein tennisballgroßes Loch auf. Luft sprühte heraus, wie ich es schon einmal gesehen hatte. Ich hörte Männer auf Bosnisch sprechen, dann singen. Nun verblassten die Bilder wieder um einen Blick auf die Spitze der Pyramide freizugeben. Dann wurde es schwarz in meinem Kopf. Mehr wusste der Schädel sicher auch nicht. Ich fragte noch einmal nach dem Ort, wo er begraben werden wollte. Wieder zeigte er den Friedhof mit den Stecaks. Das war alles. Mehr konnte ich dem Schädel also nicht entlocken. Da fiel mir der Zettel ein! Also fragte ich ihn noch, ob auf dem Zettel steht, wie man das Artefakt öffnet. Die Vision gab mir daraufhin auch einen Blick auf diesen Zettel, den der Bogomile bis zu seinem Tod mit sich geführt hatte. Die Runen! Vielleicht war es eine Geheimsprache, vielleicht zeigte es an, in welche Richtung geschoben werden musste.
Nachdem ich aus der kleinen Meditation wieder ins Hier und Jetzt eintauchte, suchte ich die Kopie des Papierstückes und begutachtete es noch sehr lange. Aber welche Rune oder welches Zeichen für was gut sein sollte, konnte ich nicht herausfinden. ´Ich werde Roy fragen´, beschloss ich. Roy und Ava, seine Frau hatten mich letztes Jahr zur spirituellen Reise nach Bosnien zu den Pyramiden mitgenommen. Vielleicht hatte er noch nicht alles Preis gegeben, was er über sie wusste.
Für heute sollte es genug sein. Der Zeitpunkt wird kommen, an dem sich alles fügt.

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